Eine Ergänzung zum Nachwort im Buch „Die venezianische Schwester“:
Ein Labyrinth mit Charme
Mithilfe eines Stadtplans, der eher einer ungenauen Übersichtskarte glich, auf welcher der Vermieter unserer Unterkunft liebenswürdigerweise schwungvoll den Weg zum Markusplatz eingezeichnet hatte, nebst einer Zeitangabe, dafür zu Fuß fünfzehn Minuten zu benötigen, erkundeten mein Sohn und ich jene Teile Venedigs, die man als Tagestourist nie zu Gesicht bekommt. Dabei verirrten wir uns im Labyrinth der engen Gassen und amüsierten uns über die präzisen Schilder, welche denselben Ort in zwei unterschiedlichen Richtungen auswiesen. Müßig zu erwähnen, dass wir von unserem Apartment zum Markusplatz eineinhalb Stunden benötigten. Zwei Tage lang irrten wir hilflos und teilweise verzweifelt durch die engen Gassen, trafen mitten in der Nacht auf andere hoffnungslos vom Weg Abgekommene und hefteten uns an die Fersen mitleidiger Einheimischer, die uns wieder auf die richtige Fährte brachten. Der Satz eines amerikanischen Touristen wehte an meine Ohren: „The last days we were lost in Venice.“ Man kann es nicht besser ausdrücken.
Wir fanden heraus, dass Stadtpläne im Fall von Venedig ein nettes Gimmick aber nicht hilfreich sind, genauso wenig wie der angeborene Orientierungssinn oder noch schlimmer, das Bauchgefühl, weshalb wir uns auf unsere Erinnerungen verlassen mussten. Wenn wir in einem Café eine Pause einlegten, beobachteten wir andere Touristen, die aus einer Seitengasse auf die Straße traten und sich verwirrt umsahen. Zweifellos war es ihnen ein Rätsel, wie sie hierher gelangt waren – ein Gefühl, das wir bestens nachvollziehen konnten.
Am dritten Tag unseres Aufenthaltes (mittlerweile hatten wir die fünfzehn-Minuten-Challenge erfolgreich bewältigt) haftete uns wohl eine gewisse Abgeklärtheit an, denn wir wurden innerhalb kurzer Abstände von zwei „Neuankömmlingen“ nach dem Weg gefragt, die uns resigniert ihre Stadtpläne unter die Nase hielten. Wir rieten ihnen, ihr Ziel mithilfe von Vaporettos anzusteuern, anstatt sich dem tückischen Geflecht der Stadt auszuliefern. Nein, es sieht nur auf dem Plan so aus, als müsste man zweimal um die Ecke gehen. Als Unerfahrener ist man besser beraten, dafür ein paar Stunden zu veranschlagen.